> Vor- und Nachteile
In dieser Rubrik sollen die Vorzüge des Systems etwaigen Unzulänglichkeiten gegenübergestellt werden. Wo lagen die Stärken, wo die Schwächen des „Mammuts“? Und was beeinflusste möglicherweise die Etablierung am Markt der späten 1980er Jahre?
Pro
Ich glaube, dass das bis hierher Geschriebene bereits ein klares Bekenntnis dazu abgegeben hat, was ich von dem „Mammut System“ halte. Es überzeugt mich sehr, auch nach über fünfunddreißig Jahren noch! Und das liegt nicht nur an seinem ansprechenden und funktionellen Produktdesign (dem weiland bestimmt das Konstruktionsprinzip „Form follows function“ zu Grunde gelegen hat).
Es war schon ein durchdachtes Konzept, auch durch seine modularen Komponenten, die vielfältige Einsatzmöglichkeiten eröffneten. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang auch das zum System gehörende Percussion Mikrofon, das den Reigen auf konsequente Weise komplettierte. Mir fällt kein anderer E-Drum-Hersteller der 80er Jahre ein, der sonst Mikros bereithielt (außer SIMMONS mit seinen aufklebbaren „Hexabug“ Drum-Triggern). Sogar Endstufen und Lautsprecher waren vorgesehen.
Ein hochwertiges Produkt: „… from the moment I caught sight of Mammut it was obvious here was a very professional product which had obviously had a great deal of thought put into it. It had clearly been researched pretty thoroughly …“ (Henrit[2]). Die erstklassige Qualität und Stabilität suchte ihresgleichen, meine ich: Wer allein nur einmal ein „Mammut“-Pad in Händen gehalten hat und dies mit einem x-beliebigen Pad eines anderen Anbieters jener Zeit vergleichen konnte, wird keinen Zweifel an der Güte der Hardware hegen. „The build quality of the drum pads was excellent …“ (Molenaar; aus einer E-Mail v. 08.01.2024).
„Punkten“ konnte SONOR in der Rückschau und ganz eindeutig mit den originalen Schlagzeugfellen und Rims: „… die Pads kommen vom Spielgefühl her einer echten Trommel erschreckend nah …“ (N.N.[1], S. 65).
Die Pads besaßen eine sensible Triggeransprache, die 12-Zöller der 1. Generation (Prototypen) waren auf komfortables Spiel ausgelegt, die 10“ Pads der 2. Generation und die „Mini Mammut Units“ selbst auf Kompaktheit.
Auch der gabelartige „Trigger Stick“ verdiente Anerkennung ob seiner konstruktiven Ausführung. Ein echtes Novum!
Das System stellte eine prima Ergänzung zu akustischen Sets dar – mit einfacher, intuitiver Bedienbarkeit. Mit zudem geradezu enormer Klanggestaltung über 12 Schieberegler, die wiederum zu einer schnelleren Erfassbarkeit der aktuellen Einstellungen beitrugen.
Das „Mammut“ bot erfreulich viele Anschlussbuchsen und damit -möglichkeiten, unter anderem einen Mikrofonanschluss mit Phantomspeisung!
Das breit gefächerte Soundangebot war darüber hinaus schon ein Argument für sich. Sogar Cymbal-Sounds existierten! Bob Henrits[2] Einschätzung zu den Sounds: „All of these were available in the Mammut sound library which for me was one of the real selling-points for it as far as the recording studio was concerned.“
Auch in ihrer Qualität waren die Sounds hervorragend: „Mit diesem analogen Drummodul lassen sich ziemlich ausgefallene Electro-Drumsounds realisieren, die äußerst durchsetzungsfähig sind und frisch klingen“ (Lösener, S. 82). „Relevant ist das Mini Mammut auch heute [= Ende der 1990er Jahre, d. Verf.] noch, da sich mit ihm gute Electro-Drumsounds (vor allem Snares, aber auch Bassdrums und HiHats [die Existenz dezidierter HiHat-Sounds möchte ich mit einem „?“ versehen; möglich, dass sie ab der 2. Jahreshälfte 1987 verfügbar waren, d. Verf.]) erzeugen lassen, die zum Teil sehr eigen klingen (von pappig bis fett) und sich von gängigen SIMMONS-Sounds unterscheiden. (…) Pluspunkte macht das Mini Mammut mit seinem eigenständigen Sound und den Möglichkeiten der intuitiven Klanggestaltung …“ (ebd., o.S.). „Die Besonderheiten des SONOR Mini Mammut sind der hochwertige Sound, … das analoge Filter und die vielen Einstellmöglichkeiten des Sounds mit den kleinen Reglern auf der Frontseite. Wie man … auf YouTube sehen kann, lässt sich dieser Expander sehr gut für Effekte einsetzen, da der Sound schon wirklich einzigartig ist. Das Geheimnis ist die besondere Klangerzeugung: … Samples können mit Analogfilter und Modulationsmöglichkeiten vielfach verbogen werden“ (aus einer eBay-Artikelbeschreibung). „… I was highly impressed by their sounds. The cymbal was the most realistic I’ve heard.“ (Henrit[1])
Die Beständigkeit: Nun sind elektronische Geräte und Musikinstrumente ja nicht gerade dafür bekannt, unbegrenzt funktionsfähig zu sein – im Gegensatz zu rein akustischen bzw. mechanischen Instrumenten aus Holz und / oder Metall. Da erstaunt es schon, dass die Funktionsfähigkeit des „Mammut Digital Drum Systems“ auch mehr als 35 Jahre nach seiner Markteinführung noch weitgehend gegeben ist. Für die in meinem Besitz befindlichen Komponenten kann ich dies zumindest bestätigen. Bis auf ein defektes Modul, das aber vermutlich von fachkundiger Hand leicht wiederinstandgesetzt werden kann, funktionieren alle „Devotionalien“ immer noch perfekt!
„Im Nachhinein war das Gerät in einigen Bereichen seiner Zeit weit voraus …“ (Plaas-Link; aus einer E-Mail v. 21.03.2019).
Das „musik spezial“ meinte darüber hinaus, dass das „Mammut“ und „… dessen Eigenschaften auch eingeschworene Akustik-Drummer überzeugen dürfte. SONOR orientiert sich in allen Bereichen sehr eng an den Bedürfnissen des normalen Trommlers“ (N.N.[1], S. 65).
„Am Schluss bliebe noch zu erwähnen, dass SONOR bei seinem Mini Mammut viel Sorgfalt bei den Sounds hat walten lassen und die übrigen Teile in gewohnter Qualität verarbeitet hat. (…) Das Mini-Mammut-System bietet … insgesamt eine kompakte, gut durchdachte Erweiterung zum akustischen Drumset. Von der Bedienbarkeit ist es auch für nicht E-Drum-Spezialisten leicht zu verstehen und zu handhaben. (…) Eine gut gelungene Synthese zwischen E-Drums und akustischen Drums mit Kreativitäts-Garantie für den experimentierfreudigen, modernen Drummer“ (v. Bohr, S. 131).
Contra
Das System war teuer. Viel zu teuer. Jedenfalls für eine breite Käuferschicht.* Hier mag auch der Produktionsstandort Deutschland eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. DYNACORD z.B. ließ vermutlich deshalb die Pads in Fernost fertigen. Ungeachtet der unbestritten erstklassigen Ausstattung und Qualität stellte der Preis mit Sicherheit ein kategorisches Ausschlusskriterium für viele Schlagzeuger dar. Als High-End-Produkt richtete es sich vor allem an Profis, denke ich. Dem „ADD-one“ aus Straubing gewiss nicht unähnlich, das 1987 in Kombination mit dem „ADD-drive“ atemberaubende 9.300,- DM kostete – ohne Hardware, versteht sich (vgl. Grandl, S. 1)!
* Das wird man auch bei SONOR (schmerzlich) zur Kenntnis genommen haben. Anders kann ich mir die Reaktion mit einer drastischen Preisreduzierung nicht erklären: Kosteten zur Markteinführung beispielsweise Modul, Cartridge und Pad zusammen noch 1.688,- DM (UVP), wurden die drei Komponenten 1989 (sogar als „Set“) für 495,- DM angeboten (SONOR: „Preisliste“ o.J. und „Preisliste 1989“). Eine Preisminderung von über 70 %!
Das modular angelegte „Mini Mammut System“ war zudem vermutlich uninteressant für Musiker, die ein komplettes E-Drum bevorzugten.
Die Pads waren für manche Schlagzeuger sicher zu klein bemessen. Optimal wären 12“ (wie bei den Prototypen und TAMA) gewesen, zumindest für Snare und Floortom.
Ein Bassdrum-Pad wurde (ab 1987) nicht mehr angeboten. Unverständlich eigentlich, zumal Bassdrum-Sounds ja sehr wohl erhältlich waren. Insofern war das System aus meiner Sicht unvollständig.
Kein Display zum Ablesen des gewählten Sounds. Zwar konnte der jeweilige Klang über den Schieberegler „Select“ zumindest numerisch erfasst werden, die Soundbezeichnungen einer Cartridge waren im eingeschobenen Zustand aber nicht mehr sichtbar. Der Vorteil: Die mechanische „Anzeige“ des Reglers arbeitete absolut störungsunanfällig. Ein Display konnte derweil über die Jahre seine Funktion versagen.
Keine Presets. Ein interner Sound pro „Unit“ war nach meinem Dafürhalten unzureichend. Hier hätten wenigstens eine Handvoll Klänge (z.B. die eines Standard-Sets: Bass Drum, Snare Drum, Tom Toms und Floor Tom) bereits im Gerät integriert werden müssen. Das Problem zeigt sich heute: Kauft man ein gebrauchtes „Mini Mammut“, so fehlt es oft an einer Cartridge. Besitzt man zwei oder drei Geräte, lässt sich eine angestrebte Sound-Kombination zumeist nicht realisieren, da die Soundträger einfach nicht (mehr) zu bekommen sind. Auch nach langer Suche, wovon ich aus eigener Erfahrung leidvoll zu berichten weiß …
Ohne Cartridges also praktisch nicht nutzbar.
Keine Speichermöglichkeit. Außer eben, wie in der Rubrik „Module“ bereits beschrieben, über die Beibehaltung der Reglereinstellungen.
Nachteilig war „… die nicht vorhandene Resonanz des Filters und die fehlende Midi-Fähigkeit“ (Lösener, o.S.).
Die „Sound-Bibliothek“ hielt keine großen Floor Toms (z.B. 16“ oder 18“) bereit! Den tiefsten Tom-Sound bildete das Sample eines 15“ Kessels.
Die klassisch kreisrunde Formgebung der Pads passte zwar zu einem traditionsbewussten Unternehmen wie SONOR und zu eher „konservativen“ E-Schlagwerkern (so es denn solche gab), andererseits galten in den 80er Jahren klare Vorstellungen darüber, wie E-Pads auszusehen hatten. Sie mussten dem „neuen“ Sound entsprechen und futuristisch* wirken. Nach damaligem Verständnis gaben sich runde Pads derweil ein wenig langweilig. Eckiges und Kantiges war gefragt. Das entsprach dem digitalen Sound, das war die Ästhetik jener Zeit. Insofern kann ich mir vorstellen, auch wenn dies natürlich kein technisch-konstruktives Defizit darstellte, dass das Design durchaus als „Minuspunkt“ betrachtet werden konnte.
* Eine „E-Bude“ glich im Idealfall eher dem „Fahr- und Feuerleitstand“ der „USS Enterprise“, an dem Captain James T. Kirk bereitwillig Platz genommen hätte.
Durch die kurze „Lebensdauer“ des „Mammuts“ und die in dieser Zeit auf das Unternehmen einwirkenden, umwälzenden Veränderungen steht zu befürchten, dass es bereits wenige Jahre nach Markteinführung um den Service, der diesem Instrument im Bedarfsfall hätte zuteilwerden müssen, schlecht bestellt gewesen sein könnte …
Unabhängig von SONORs spezifischer Situation fragte sich Andy Duncan 1985 verallgemeinernd „… whether or not a particular [E-Drum] maker will still be in business in a couple of years time. Will they have withstood concerted competition or rapidly changing fashion when your kit needs repair or spares?“ und hob damit auf das zwar „goldene“, aber auch ebenso wechselvolle wie schnelllebige Jahrzehnt der elektronischen Schlagzeuge ab.
Wünschenswert wäre (alternativ zum „Trigger Stick“) ein Fußtaster gewesen, was aber in diesem Zusammenhang nicht als Mangel gewertet werden kann.
Resümee
Ich denke, dass bei einer zurückschauenden Bewertung klar zwischen dem Produkt selbst und den damals determinierenden Rahmenbedingungen unterschieden werden muss, unter denen das „Mammut“ einst das Licht der Welt erblickte.
Im Kontext der späten 80er Jahre beeinflussten seinerzeit gleich mehrere „Parameter“ die Erfolgsaussichten des „Mammut Systems“:
Einerseits sicherlich die späte Marktvorstellung bzw. -einführung (1986 bzw. 1987), „… the wrong side of the 80s to launch a brand-new line of electronic drums“ (Greenawalt). Den Markt hatte SIMMONS bereits nachhaltig vereinnahmt. Es dürfte für SONOR und andere „Zugestiegene“ ausgesprochen schwergefallen sein, Marktanteile für sich zu gewinnen. Zumal sie mit ihren neuen Produkten nur einen geringen Bekanntheitsgrad* erreicht haben dürften. Kaum nachvollziehbar ist für mich in diesem Zusammenhang, dass SONOR das System nicht in die Gesamtkataloge aufgenommen, sondern gewissermaßen „nebenbei“ beworben und vertrieben hat. Verwunderlich auch, dass weder die Zeitschrift „drums & percussion“ noch die „Sticks“ jemals über das „Mammut“ berichtet hat, wie eine Anfrage beim Reiner H. Nitschke Verlag im Januar 2023 ergab.
* Zum Bekanntheitsgrad, zur Verbreitung und Beliebtheit des „Mammut Systems“ lieferte das „Fachblatt MusikMagazin“ 2/1989 – wenn auch gewiss nicht repräsentative – indirekte Belege, indem es die Ergebnisse einer Leserbefragung veröffentlichte. In der Kategorie „DRUMS ELEKTRONISCH“ wurde seinerzeit das folgende Ranking der „Trauminstrumente“ aufgestellt:
1. SIMMONS (mit dem „SDX“ und diversen anderen Serien)
2. DYNACORD (mit dem „ADD-one“ und dem „P 20“)
3. ddrum
4. Roland
5. YAMAHA
Hier wurde das „Mammut“ nicht einmal erwähnt, während SONOR in der Kategorie „DRUMS AKUSTISCH“ unter zehn Herstellern klar den 1. Platz belegte (und zwar mit den Serien „Hilite“, „Signature“ und „Lite“). An der Aufstellung der beliebtesten E-Drums wird auch deutlich, welchen Stellenwert europäische Firmen am (deutschen) Markt der 80er Jahre einnahmen, was sich etwa ab 1990 zugunsten japanischer Hersteller änderte.
Bereits 1982 wurde der Industriestandard Midi (Wikipedia) eingeführt. Für Hans Molenaar war es ein entscheidendes Versäumnis, das Midi Protokoll nicht in die Serienmodule von SONOR zu integrieren (was ja im Fühstadium der Entwicklung zunächst vorgesehen war): „That would have been a gamechanger for the product …“ (aus einer E-Mail v. 08.01.2024).
Die technische Entwicklung schritt damals rasend schnell voran. „Alle drei Monate gab es was neues, das doppelt so gut wie das alte und halb so teuer war. Da haben sich einige Firmen die Finger verbrannt“ (Mühlbauer; aus einer E-Mail v. 21.01.2017).
Erschwerend sehe ich deutliche Wettbewerbsnachteile durch den Status eines traditionellen Holzinstrumentenherstellers. Vielleicht „hinkt“ der folgende Vergleich ein wenig, ich möchte ihn aber dennoch bemühen, um Parallelen aufzuzeigen: Eine professionelle Analogkamera suchte man sich in der Phase der aufkommenden Digitalfotografie mutmaßlich eher bei den herkömmlichen und bewährten Kameraherstellern (z.B. bei Leica, Nikon oder Minolta). Während man sich bei digitalen Apparaten tendenziell vielleicht eher an Unternehmen orientierte, die eine einschlägige, elektrotechnische Expertise vorweisen konnten (etwa Panasonic, SAMSUNG oder SONY).
Die Absätze blieben vermutlich auf den westdeutschen (vielleicht auch partiell auf den westeuropäischen) Markt beschränkt: Gebrauchte Komponenten bei eBay stammen stets und ausschließlich von deutschen Verkäufern.
„To be honest I don’t have any idea if Mammut … was successful because I don’t recall seeing any of them here in the UK. This was probably because by 1987 SIMMONS were getting ready to make a really quantum-leap … with their ‚all-singing, all-dancing‘ SDX“ (Henrit[2]). Er ging davon aus, dass sich die meisten, die damals ein elektronisches Schlagzeug anschaffen wollten, eher für den Marktführer entschieden haben, als einem (in diesem Bereich) unbekannten Debütanten den Vorzug zu geben. Zumal SIMMONS mit einer großen Bandbreite von Produkten zu unterschiedlichen Preisen aufwartete.
All dies, zudem die „… fehlende Midi-Tauglichkeit, der relativ hohe Preis und der spezielle Sound mögen der Grund dafür gewesen sein, dass das analoge Urviech an den evolutionären Bedingungen einer digitalisierten Umwelt gescheitert ist“ (Lösener, S. 82). Der Autor schätzte ein, dass das „… Mini Mammut … für SONOR jedenfalls nicht gerade ein Kassenschlager“ war (ebd.).
Jemand, der (oder die?) sich „Klara Kopf“ nannte, sprach im August 2016 von einem „… financial desaster for SONOR …“. Jemand, der (bzw. die) aber auch das „Mini Mammut“ für einen „… analogue drum-synthesizer from back 1972“ hielt (Quelle: www.flickr.com). Nun ja …
Und Alex Mühlbauer vom „Pro Percussion Center“ äußerte im Januar 2017 sogar: „Ob das SONOR System jemals vermarktet und verkauft wurde, weiß ich nicht. Wir haben es jedenfalls nie im Laden gehabt“ (aus einer E-Mail). Nun, verkauft wurde es schon. Aber bei Weitem nicht in der erhofften Stückzahl*, mit der sich Horst Link in dieser Instrumentensparte an die Weltspitze setzen wollte. Sonst hätte ich wohl im SONOR-Werksmuseum während eines Besuchs im Jahr 2008 ein Exemplar in Augenschein nehmen können. Tatsächlich suchte ich das „Mammut Digital Drum System“ dort aber vergebens!** So dass der Eindruck gewonnen werden konnte, es habe gar nicht existiert.
* Was aber sind zufriedenstellende Stückzahlen? Die höchste mir bekannte Produktions- oder Seriennummer einer „Mini Mammut Unit“ ist die „No. 0595“. Demnach sind also rund 600 Einheiten gebaut und wohl auch einige hundert verkauft worden, nehme ich an. Vielleicht auch mehr. Aber ob das ausreichte, die Entwicklungskosten zu amortisieren oder „schwarze“ Zahlen zu schreiben? Vom SIMMONS „SDX“ ist bekannt, dass lediglich 250 Konsolen verkauft worden sind. Das kann – auch ohne betriebswirtschaftliche Kenntnisse – nicht aufgegangen sein!
** Wie Felix Renner allerdings berichtete, hat sich das in der Folgezeit geändert: Im März 2016 „sichtete“ er ein „Mammut“-Set (mit vier schwarzen Pads; wohl aber ohne Steuergerät/e) in der firmeneigenen Ausstellung (aus einer E-Mail v. 25.01.2017).
Unabhängig davon habe ich das Gefühl, dass das „Mammut“ heute bei SONOR allenfalls noch als Nischenprodukt betrachtet wird. Und das war es wohl auch. Über www.sonor.com/de lässt sich das Thema nicht mehr erschließen. Bis zur Neugestaltung der Homepage (im August 2019) tauchte über die Suchfunktion neben zwei Dokumenten zumindest ein Foto auf:
[Bild] „MP-10“ mit Demo Kassette (Quelle: SONOR)
Auch bei HOHNER scheint das Instrument keine Bedeutung mehr zu haben. Auf telefonische Nachfrage im März 2019 konnte dort niemand mehr etwas zum „Mammut System“ sagen …
„Warum es, zwar vorgestellt auf der FMM 1987, nicht weiterentwickelt bzw. richtig vermarktet wurde, entzieht sich meiner Kenntnis“ (Niklewski; aus einer E-Mail v. 12.03.2019). Eine Antwort auf diese Fragen lieferte Fritz Steger (www.drumhouse.com) im April 2019, sich an ein Gespräch mit Horst Link erinnernd: „… schnell zeichnete sich wohl ab, dass die Investitionen deutlich höher ausfielen, als zunächst prognostiziert, so dass er [Horst Link, d. Verf.] das Projekt zunächst eindampfte und dann komplett stoppte“ (aus einer E-Mail). Eine weitere Erklärung ist wahrscheinlich darin zu sehen, dass sich nach dem Ausscheiden des federführenden Entwicklers aus dem Unternehmen – Dr. Andreas Plaas-Link – (im Jahr 1987) niemand mehr finden ließ, der das „Mammut System“ hätte weiter voranbringen können: „Und es gehört natürlich eine Weiterentwicklung dazu. Das war Generation eins, nicht zwei, drei oder vier, wo die Sachen erst gut werden. Also dazu hatte SONOR keinen langen Atem. Um das jetzt zu einer wirklich belastbaren, dauerhaft erfolgreichen Geschichte zu entwickeln, dazu fehlte die Geduld, das Geld und dann auch das Personal“ (Plaas-Link; aus einem Interview v. 11.05.2019). Und Horst Link, der ja anfangs noch „erstaunlich risikobereit und optimistisch“ war, wurde „… als er mit den normalen Entwicklungsproblemen eines solchen Systems konfrontiert wurde, … zunehmend skeptischer und auch … ja, enttäuschter“ (ebd.).
Die Einstellung des „Mammut-Programms“ dürfte damit so ungefähr in die Zeit gefallen sein, in der es sich abzeichnete, dass SONOR an HOHNER verkauft werden sollte (also um 1990).
Nach der Auslistung wurden noch vorhandene Restbestände Anfang der 1990er Jahre zunächst in einem „Sonderlager“ untergebracht, bevor sie dann – wie von Peter Döpp (während eines Telefonats im Februar 2022) zu erfahren war – vom Drum-Center Bochum vollständig aufgekauft wurden. Dort verloren sich die Spuren …
Das E-Drum von SONOR. Ein großer Wurf, aber eben kein großer Erfolg*.
* Das genetische Zeug dazu hätte es gehabt, weshalb ich dem westfälischen „Mammut“ einen – entgegen evtl. anders gerichteter Annahmen – weitaus höheren Stellenwert in der Evolutionsgeschichte der elektronischen Schlagzeuge zusprechen möchte!
Aus heutiger Sicht muss man das „Digital Drum System“ wohl als gewagten Exkurs des Unternehmens betrachten. In einer Zeit, in der solche „abenteuerlichen Ausflüge“ noch denkbar waren. Auch wenn damals einige Firmenangehörige diesem Projekt ziemlich kritisch gegenüberstanden, wie Paul Hof und Joachim Sponsel (telefonisch im Januar 2022) bestätigten. Heute würde ein Hersteller akustischer Schlagzeuge eher ein fertiges – anderswo entwickeltes – E-Drum zukaufen und unter eigenem Label anbieten, denke ich.
Mit einer Eigenentwicklung konnte in der Hochphase der elektronischen Schlagzeuge ordentlich Geld verdient, … aber auch „versenkt“ werden. Insbesondere dann, wenn das Produkt nicht auf die erhoffte Resonanz bei der Kundschaft stieß (warum auch immer). Gleichwohl war das „Mammut“ aber ein wichtiger Schritt für SONOR: „Es war die Sorge, dass man eine Entwicklung verpasst, die ggf. – das war damals sogar die Angst – die klassischen Schlagzeuge verdrängen könnte“ (Plaas-Link; aus einem Interview v. 11.05.2019).
Ein englischer Musikjournalist mutmaßte 1984 so auch, dass „… electronic drums are here to stay, and I have a feeling that once a good choice of digital kits hits the market, acoustic drums may well become a thing of the past: after all, the public won’t accept … a drum sound these days without compression, reverb and gating.“ (White)
Und wären einige Unternehmen in den 80er Jahren nicht so „kühn“ gewesen, wären viele interessante Musikinstrumente gar nicht hervorgebracht worden.
Seither ist viel passiert. Elektronische Schlagzeuge haben sich gewaltig weiterentwickelt. Der technische Fortschritt hat mit den Jahren enorme Möglichkeiten eröffnet. Möglichkeiten, die sich 1987 kein Konstrukteur hätte vorstellen können.
Das „Mammut“ von SONOR ist unterdessen, … irgendwann und in aller Stille … ausgestorben. Übriggeblieben sind ein paar Fossilien und verblassende Erinnerungen. Das aber, was die Zeiten überdauert hat, zeugt von der einstigen Größe dieser Schöpfung …
Übrig und unbeantwortet geblieben sind aber auch ein paar offene Fragen. Etwa, warum ab 1987 keine Bassdrum-Pads erhältlich waren, ob das System auch im Ausland Käufer fand oder wie viele Module tatsächlich verkauft worden sind. Fragen, auf die sich wohl keine Antworten mehr finden lassen …
Eine abschließende Betrachtung zur gegenwärtigen Rezeption des „Digital Drum Systems“: Peter Grandl, der Chefredakteur von www.amazona.de, fragte mich im September 2019, ob das „Mammut“ heute noch eine Fangemeinde habe?
Nun, passionierte Enthusiasten sind mir bisher nicht begegnet. Die Schar derer, die sich noch für das SONOR-E-Drum erwärmen können, ist doch recht überschaubar. Ich nehme an, dass Komponenten des Systems mittlerweile kaum noch aktiv im Einsatz sind. Schlagzeuger benutzen sie heute wohl nicht mehr, behaupte ich mal. Allenfalls in privaten Studios stehen vielleicht noch ein paar Module, die von Keyboardern und Synthesizer-Freaks verwendet werden. Das Problem sind die Cartridges, die einfach nicht mehr erhältlich sind. Und ohne Soundkarten sind die Geräte praktisch nutzlos. Ab etwa 2014 / 15 beobachtete Auktionen sprechen eine deutliche Sprache: Es sind in der Regel nur noch wenige Bieter, die auf Angebote reagieren. Aber die sind dann durchaus bereit, auch mal 85,- € für eine Cartridge oder 270,- € für ein Modul mit Netzgerät auszugeben.